DIE GESCHICHTE DES DAMPFERS „HERTHA“

1886

Bau und Fertigstellung der „Hertha“, Salon-Dampfer für die „Stralauer Dampfschifffahrts-Gesellschaft Manthey, Wolff und Zwerner“, konzipiert als Vergnügungsschiff für das Stettiner Haff. Werft: „Stettiner Oderwerke Aron&Gollnow“, Stettin (Polen) Die „Hertha“ (Baujahr 1886, Bau-Nr. 205), gehörte zu einer Serie von drei nahezu baugleichen, für damalige Verhältnisse modernen Doppelschraubendampfern: die „Dorothea“ (Baujahr 1885, Bau-Nr. 202) und die „Concordia“ (Baujahr 1886, Bau-Nr. 206) – beide Schiffe gibt es leider schon lange nicht mehr.

Die Dampfer dieser Serie hatten eine Länge von 20,80 m und eine Breite von 4,62 m. Als Antrieb dienten zwei stehende Zweifachexpansionsmaschinen mit Auspuff und Abdampfverdampfer, Leistung 2 x 45 PSi bei 220 U/m und 13 atü Dampfdruck. Alle drei Schiffe waren für je 193 Personen zugelassen. Etwa drei Jahre war der „Hertha“-Salondampfer im Dienst für die „Stralauer Dampfschifffahrts-Gesellschaft Manthey, Wolff und Zwerner“. Am 17. April 1886 lief der nagelneue und schnelle Dampfer aus zur Probefahrt, und es war genau der Tag, an dem die Tochter des Reeders Zwerner ihren 12. Geburtstag hatte. Das Mädchen hieß „Hertha“ – damals ein Modename. Ihr, der 1874 geborenen Reeders-Tochter Hertha Zwerner zur Ehre, wurde das Schiff auf den Namen „Hertha“ getauft.

1889

Verkauf der „Stralauer Dampfschifffahrts-Gesellschaft Manthey, Wolff und Zwerner“ an die „Spree-Havel-Dampfschifffahrt-Gesellschaft STERN“. Zu diesem Verkauf gehörten u.a. auch die 1885/86 in Stettin gebauten Doppelschrauben-Personendampfer “Dorothea”, “Hertha” und “Concordia“. Ab jetzt war also die „Hertha“ im Raum Berlin auf den Flüssen Spree und Havel im Einsatz. Das erste Schiff, das auf dem 1886-90 gebauten Oder-Spree-Kanal den neuen Abschnitt an der Wernsdorfer Schleuse mit Ehrengästen befuhr, war die “Hertha”.

1892

Am 25. Juli 1892 wurde der Verein „Berliner Fußball Club Hertha 92“ (heute „Hertha, Berliner Sport-Club e.V.“) offiziell auf dem Polizeipräsidium am Molkenmarkt eingetragen. Die Idee zur Gründung hatten die Brüderpaare Fritz und Max Lindner sowie Otto und Willi Lorenz. Es muss eine beeindruckende Dampferfahrt gewesen sein, die Fritz Lindner gemeinsam einige Zeit zuvor auf der Oberspree mit seinem Vater unternommen hatte: Der Dampfer trug den Namen „Hertha“, und kurzerhand bekam der neue Verein diesen Namen. Ob auch die Farben des Vereins auf den Dampfer zurückgehen, ist nicht überliefert. Die Tatsache, das auf der ersten Spielkleidung des Vereins ein gelber Stern auf den blau-weißen Hemden prangte, spricht aber dafür, dass bei der Farbwahl die Überlegungen ‚blaues Wasser, weißes Schiff und gelber Stern‘ eine Rolle gespielt haben mögen.

Die Gründungsgeschichte des B.F.C. Hertha 1892

1928

Im Juli des Jahres 1928 brach im Maschinenraum des „STERN“-Dampfers “Hertha” ein Feuer aus. Der Brand konnte schnell gelöscht werden, da das Schiff am Anlegesteg vor der Stralauer Werft lag. Personenschaden ist hierbei gottseidank nicht entstanden.

Dieses Postkartenmotiv zeigt die Hertha an der Dampferanlegestelle in Tegel vermutlich Anfang der 30er Jahre

1934

Die „Spree-Havel-Dampfschifffahrts-Gesellschaft STERN“ war 1934 gezwungen, den Betrieb wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufzugeben. Angestellte, Anlegestellen, Schiffe und Werften gingen auf die Teltowkanal AG über. Es bildete sich die „Stern und Kreisschifffahrt“ der Teltowkanal AG.

1946

Nach dem 2. Weltkrieg konnte die „Stern und Kreisschifffahrt“ die beschädigte „Hertha“ wieder flott machen und in Betrieb nehmen. Dabei mussten Behelfslösungen in Kauf genommen werden. Eine hölzerne Bank, die ursprünglich an einer Anlegestelle gestanden hatte, diente als Sitzgelegenheit an Deck der “Hertha”, zudem fuhr der Dampfer mangels anderer Farbe mit einem dunkelbraunen Anstrich. Nach dem Krieg fuhr sie – noch immer in ihrer ursprünglichen Form – von Wannsee nach Kladow und Potsdam.

1947

Die Währungsreform in West-Deutschland führte zur Spaltung Berlins. Da sich alle wieder in Fahrt gekommenen Schiffe der „Stern und Kreisschifffahrt“ (bis auf die „Concordia“) im Osten befanden, gingen sie in den Besitz des 1948 gegründeten “Volkseigener Betrieb Fahrgastschifffahrt” über, der sich danach “VEB Deutscher Schifffahrts- und Umschlagbetrieb, Abteilung „VEB Fahrgastschifffahrt Berlin” nannte (abgekürzt D.S.U.). Der kleine Dampfer „Hertha“ büßte seinen Namen ein und hörte nun auf den neuen Namen „Seid Bereit.

1950

Als erstes Jugendschiff wurde die „Seid Bereit“ von Zehdenick nach Berlin überführt und gehörte dort jetzt zur „Weißen Flotte“. Das Schiff wurde auch zur Ausrichtung der ersten Weihnachtsfeiern für die Kinder der Mitarbeiter der „Weißen Flotte“ genutzt.

1956

Die äußere Gestalt der „Seid Bereit“ (vormals „Hertha“) veränderte sich durch einen Umbau vollständig. Sie bekam ein neues Heck und einen neuen Steven (beides wurde erhöht), die Fenster der Kajüten wurden vergrößert, das Deckshaus erneuert – aber noch immer fuhr das Schiff mit der ursprünglichen Dampfmaschinenanlage aus dem Jahre 1886. Mit seinen 22,82 m Länge, 4,80 m Breite und seinen 186 Sitzplätzen war die „Seid Bereit“ der kleinste Dampfer, der nach dem 2. Weltkrieg in Berlin verkehrte.

1963

Die „Seid Bereit“ erhielt nochmals einen neuen Boden.

1964

Nach fast 80 Dienstjahren wurde die „Seid Bereit“ ausrangiert, die Verschrottung des Schiffskörpers war vorgesehen. Etwa fünf Jahre dümpelte das Schiffstorso am Abwrack-Kai von Berlin-Stralau vor sich hin und rostete der Schrottpresse entgegen. Die Dampfmaschinen waren herausgerissen, die Bestuhlung ebenfalls, die Scheiben waren zertrümmert. Dass das Verkehrsmuseum Dresden 1965 eine der beiden Dampfmaschinen des Schiffs bekam, konnte nach neusten Recherchen leider nicht bestätigt werden.

1969

Die Reederei Dentler aus Wusterhausen an der Dosse erwarb den Schiffskörper, welcher sich in einem desolaten Zustand befand und ließ die Schale nach Ausbau des Kessels und der zweiten Maschine im September 1969 mit einem Kran aus dem Osthafen auf einen Tieflader heben, der das Wrack nach Wusterhausen brachte. Hier erneuerten die Reederei und Schiffbauer aus Havelberg das Heckteil.

1970

In der Zeit von 1970 bis 1971 wurde es von einem Dampfschiff zu einem Motorschiff umgerüstet, dabei geht auch der historische umklappbare Schornstein verloren. Dafür beherbergt das Fahrgastschiff nun ein anderes historisches Novum. Fenster, Aschenbecher und grüne Sitzbänke stammen aus dem „Fliegenden Hamburger“, einem Schnellzug der Deutschen Reichsbahn, der in den 30er-Jahren in Rekordgeschwindigkeit Berlin und Hamburg verbunden hatte. „Die Dentlers hatten einen Beiwagen von 1937 aus dem Bahnwerk Wittenberge ebenfalls als Schrott gekauft.

Als Antriebsaggregate dienten nun statt der alten zwei Dampfmaschinen zwei Lkw 90 PS-MAN-LKW-Dieselmotoren älterer Konstruktionsart. Aus Restbeständen der Roten Armee konnten zwei Getriebe angepasst werden. Die Aufbauten des Schiffes wurden im Zusammenwirken mit Fachkräften der Reichsbahn unter Verwendung von Teilen eines Personenwagens erneuert.

1971

Im Juli 1971 konnte das für 263 Fahrgäste vermessene Motorschiff wieder in Dienst gestellt werden. Es erhält nach „Hertha“ und „Seid Bereit“ nun seinen dritten Namen „Seebär“, denn niemand wusste ja bis dahin, dass es sich bei dem aufgemöbelten Schiffswrack um die alte „Hertha“ von 1886 handelte. Der „Seebär“ erfreute sich seitdem auf der Kyritzer Seenkette großer Beliebtheit.

1976

Der Berliner Schiffshistoriker Kurt Groggert wurde 1976 auf das Schiff „Seebär“ aufmerksam und identifizierte es als das alte Stettiner Dampfschiff „Hertha“ aus dem Jahre 1886. Trotz großer Freude der Schiffseigner über diese sensationelle Nachricht, im Besitz des Hertha-Gründungsschiffes zu sein, verhielt man sich still, was zu der damaligen DDR-Zeit sicherlich gut nachzuvollziehen war. Das Schiff behielt zunächst seinen Namen „Seebär“.

2002

Nach über 50 Jahren kam für das Motorschiff „Seebär“ ein großer Moment: Im Jahre 2002, zur 110-Jahresfeier von „Hertha BSC“, tauften die Dentlers das Schiff wieder zurück auf seinen ursprünglichen Namen, den das Schiff von 1886-1950 führte. Es heißt es nun endlich wieder „Hertha“.

2012

Am 8. Mai 2012 erwarben Thomas Flemming und Steffen Hahlweg von der Prignitzer Leasing AG das Schiff und setzten es weiter in der Personenschifffahrt auf den Seen in der Region Ostprignitz-Ruppin ein, insbesondere auf der Kyritzer Seenkette.

2016

Januar

Die beiden Präsidiumsmitglieder von “Hertha BSC e.V.“ Christian Wolter und Ingmar Pering führen mit dem Schiffseigner die Verkaufsverhandlungen.

März

Die Parteien unterzeichenen einen LOI (Letter of Intent) und erarbeiten unter Federführung der Kanzlei Lacore einen Kaufvertrag, um das namensgebende historische Schiff zu erwerben.

Mai

den begeisterten Mitgiedern und Freunden wurde die Einigung über den Schiffskauf bekannt gegeben.

Im Frühjahr 2017 soll die MS Hertha teils auf dem Landweg, teils auf dem Wasserweg nach Berlin gebracht werden. Eine Restaurierung bzw. weitestmöglicher Rückbau zur ursprünglichen Schiffsform und ein Umbau entsprechend den Auflagen für einen Fahrbetrieb auf den Berliner Gewässern ist in Planung. Die notwendige Finanzierung soll durch Ausgabe einer Aktie mit genau 1892 Anteilen (entsprechend dem Gründungsjahr des Vereins) erreicht werden.

Die Zeitplanung sieht für das laufende Jahr die Vorbereitung zur Emission der Aktien vor. Dann soll im Frühjahr / Sommer 2017 die Überführung der MS Hertha nach Berlin erfolgen. Im Herbst 2017 bis Frühjahr 2018 werden die erfoderlichen Genehmigungen für den Betrieb und die Zulassung besorgt, so dass ab dem Sommer die Vorbereitung der Restaurierung des Schiffes beginnen kann.

Dezember

Die Abschiedsfahrt der „Hertha“ auf der Kyritzer Seenkette: Sonntag, der 11. Dezember 2016

Die Aktienemission ist von der BaFin genehmigt und kann beginnen. Alles ist vorbereitet.

2017

Frühjahr

Die Aktienemission läuft, bringt aber noch nicht das gewünschte Ergebnis

Juli

Die Reise beginnt – leider startet das Schiff mit stundenlanger Verspätung auf die Strasse, diese Stunden fehlen dann am Ende, als die Hertha einen Zwischenhalt in Ribbeck einlegen muß. Am nächsten Tag ist sie aber wieder in Wustermark im Wasser. Leider spielt die Senatsverwaltung nicht mit, ein vorgesehener Liegeplatz in Reinickendorf wird nicht genehmigt. Die Hertha liegt fest.

Sommer / Herbst

Qälende Kontakte mit der Senatsverwaltung – dann hilft Reederei Riedel und beitet in ihrem Hafen einen Liegeplatz an. Die Wasser und Schiffahrtsverwaltung ist unglaublich schnell und kommt gleich mit einem Termin für das Schwimmfähigkeitsattest um die Ecke. Test bestanden, aber die Gutachter sich streng und lassen auf der Überführungsfahrt keine Passagiere zu, selbst Ingmar Pering muss bitten, um mitfahren zu dürfen. Trotzdem finden die Journalisten bei der Schiffahrtspolizei einen Platz und können tolle Fotos machen und filmen.
Die Hertha kann auf eigenem Kiel noch in Rekordgeschwindigkeit im Jubiläumsjahr zurückkehren und liegt erst einmal in Treptow.

2018

Winter und Frühjahr

Wir sichten Archive bei Versicherungen und Behörden, Alle Unterlagen sind zusammen – nun heißt es hoffen, dass wir die Zulassung als historisches Fahrgastschiff erhalten !

 

Mai

Es ist geschafft !! Die MS Hertha ist als historisches Fahrgastschiff eingestuft und nun gilt für uns Bestandsschutz und das alte Zulassungsrecht – einer der wichtigsten Milestones dafür, auch finanzierbar auf Berlins gewässern zu schippern ist geschafft.

Die Auflagen sind alle zumindest bis jetzt machbar und wir hoffen diesen Winter mit den Arbeiten beginnen zu können.

September-Dezember

Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir mit Werften und Schiffsbetrieben alle Möglichkeiten ausloten, wo wir umbauen können, wann Termine frei sind und wer uns weiterhelfen kann.

2019

Die Hertha fährt aus eigener Kraft vom Hafen Rummelsburg nach Oranienburg, wo sie in der Werft Malz umgebaut werden soll. Es folgen Vermessungen, ein Krängungstest und diverse Berechnungen.

2020

Nach dem erfolgreich absolvierten Krängungstest wird die Hertha wieder aus dem Wasser geholt. Es folgen weitere Vermessungen und Berechnungen.

2021

Die Hertha wird vollständig entkernt, alle Einbauten, Wand- und Deckenverkleidungen sowie das hölzerne Dach des hinteren Oberdecks werden entfernt.

Quellenangabe: :: Kurt Groggert, Spreefahrt tut Not!, Haude und Spener, Berlin, ISBN 3-7759-0153-1 :: Kurt Groggert, Personenschifffahrt auf Spree und Havel :: Heinz Trost, Zwischen Havel-Spree und Dahme :: Heinz Trost, Stern- und Kreisschiffahrt, 100 Jahre: 1888 – 1988 :: Wikipedia :: www.svz.de :: Mühsam erhaltene Legende